Digitale Schule (Teil 1): „Kleine Probleme lösen wir mit Schwarm-Wissen“
Spätestens mit dem Lockdown Mitte März 2020 wurde offenbar, dass es in vielen Schulen immer noch an allen Ecken und Enden hakt. Dadurch ist in Sachen digitaler Unterricht bei allen Beteiligten einiges in Bewegung gekommen. Oder doch nicht? Ist am Ende alles eine Frage der Infrastruktur? Und sind, wie es so oft heißt, skandinavische Schulen digitaler aufgestellt?
Wir haben nachgefragt – bei zwei Schwestern, die sich beide gerade auf das Abitur vorbereiten. Johanna ist 17 und besucht ein Münchner Gymnasium. Ellen ist 19 und geht in Aapenrade, Dänemark, aufs Gymnasium.
Johanna, Ellen: Ihr besucht beide die Abschlussklasse des Gymnasium und bereitet Euch aufs Abitur vor – Johanna in München, Ellen in Aapenrade. Eure Schulen haben einen sehr guten Ruf. Sie gelten als sehr fortschrittlich, Bildschirme im Klassenzimmer sind Standard. Aber wie sieht es denn bei Euch selbst mit dem digitalen Lernen aus: Nutzt Ihr Tablets oder Laptops in der Schule?
J: Ich habe ein eigenes Laptop, allerdings benutze ich das nicht im Unterricht. In der Schule schreibe ich ganz klassisch auf Papier. Außerdem bekommen wir sehr viele ausgedruckte oder kopierte Arbeitsblätter, im letzten Jahr konnte ich damit drei breite Ordner füllen. Aber Präsentationen bereite ich digital vor und einige Aufgaben müssen wir per Mail oder über unser Schülerportal abgeben.
E: Bei uns in Dänemark ist es nicht die Ausnahme, sondern die Regel im Unterricht an Laptops zu arbeiten. Sogar manche Prüfungen und Tests finden am Rechner statt. Das klappt gut, denn wir arbeiten schon länger mit einem einheitlichen System für die ganze Schule. Darüber sehen wir den aktuellen Stundenplan, können Dokumente teilen und mit Mitschülern und Lehrern kommunizieren. Wir sind super vernetzt, das hilft uns auch, Aufgaben zu lösen.
Wichtig finde ich auch, dass Schüler, die kein eigenes Laptop haben, es von der Schule gestellt bekommen. So ist niemand benachteiligt.
J: Das wäre bei uns bisher nicht möglich. Für rund 1000 Schüler gibt es aktuell 60 Schul-Laptops und 20 Tablets, die sind vor allem für den Informatikunterricht. Wir benutzen – wenn überhaupt – private Geräte.
Und wie sind die Lehrer auf den digitalen Unterricht eingestellt? Befürworten sie es, wenn Ihr Tablet oder Laptop im Unterricht nutzt?
E: Da es bei uns ja total normal ist, mit dem Rechner zu arbeiten, ist es eher umgekehrt: Ab und zu bekommen wir Aufgaben, bei denen extra gesagt wird, dass wir ohne Laptop arbeiten sollen. Die jüngeren Lehrer arbeiten auch nur am Rechner und zeigen die Aufgaben oder Präsentationen übers Whiteboard. Einige ältere Lehrer schreiben zwar selbst lieber auf Papier oder an die Tafel und teilen gedruckte Dokumente aus. Uns lassen sie aber am Computer arbeiten.
J: Bei uns geht das noch ein bisschen durcheinander. Da wir die meisten Arbeitsblätter in Papierform bekommen, muss ich vor Klausuren meinen Lernstoff immer im Ordner und auf dem Laptop zusammensuchen. Trotzdem arbeiten die meisten Lehrer mit Laptop oder Tablet und zeigen ihre Präsentation über den großen Flachbildschirm, der in jedem Zimmer hinter der Tafel hängt. In Englisch und Geschichte schreibt die Lehrerin sogar auf einem Tablet mit, das sie an diesen Bildschirm anschließt. Nur in Physik und Mathe benutzen die Lehrer meistens die Tafel.
Das heißt, die Lehrer sind fit in Sachen Digitalisierung und Technik?
J: Die meisten meiner Lehrer sind eigentlich ganz gut dabei. Ab und zu gibt es kleine Probleme, aber die lösen wir mit dem Schwarm-Wissen der Klasse.
E: Unsere Lehrer sind sehr fit – manche kennen sich so gut aus, dass wir mit all unseren technischen Problemen zu ihnen gehen können. Außerdem gibt es seit dem Lockdown im März Workshops für die Lehrer, die noch nicht so digital unterwegs sind. Einfach, damit wir so wenig Unterricht wie möglich verpassen, falls es nochmal passiert.
Wie sieht es denn mit der Infrastruktur aus – habt Ihr WLAN in der Schule? Wo lasst Ihr Eure Rechner in den Pausen und wo bzw. wie könnt Ihr sie laden?
J: Unsere Schule hat WLAN. Der Empfang reicht zwar nicht bis in die letzte Ecke des Schulhauses, aber im Hauptgebäude ist es gut.
E: Wir haben überall WLAN. Jeder Schüler hat einen eigenen Code und Benutzernamen dafür bekommen, um sich anzumelden – aber das ist, glaub ich, überall Standard. Und es gibt Schließfächer, die wir mieten können. Sie reichen aber nicht für alle Schüler. Wir lassen daher meistens unsere Laptops auf den Tischen oder in der Schultasche. Zum Laden haben wir im ganzen Klassenraum mehrere Steckdosen und Verlängerungskabel. In einigen Räumen gibt es Ladesteckdosen, die von der Decke runter schräg über den Tischen hängen.
J: Mein eigenes Gerät habe ich immer bei mir, da ich ständig die Räume wechsele.
An dieser Stelle ein Zwischenfazit. So, wie es bei Ellen in Dänemark läuft, stellt man sich vermutlich einen gut digitalisierten Schulunterricht vor. Aber auch die Münchner Schule ist gut aufgestellt, wenn man von der Anzahl der verfügbaren Geräte absieht. Unterm Strich liegt sie damit in Deutschland wohl eher im oberen Mittelfeld. Stellt sich die Frage: Reicht das schon? Wie weit soll die Digitalisierung gehen?
In Teil 2 „Auch Schüler lernen, digital zu arbeiten“ geht es um Remoteschooling – den „Ernstfall“ in Sachen Digitalisierung. Und Wunsch-Punsch: wie viel Digitalisierung wünschen sich Schüler wirklich?
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